Triage-Aktuell

Triagegesetz erntet viel Kritik

Berlin – Die Bundestagsentscheidung zur Triageregelung von gestern Abend hat gegensätzliche Reaktionen hervorgerufen. Insbesondere die Entscheidung, die sogenannte Ex-Post-Triage per Gesetz auszuschließen sorge für Unsicherheiten und könne sogar zu vermeidbaren Todesfällen führen, heißt es von der Ärzteschaft.

 

Die Deutsche interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) bemängelte beim Verbot der Ex-Post-Triage eine „First-come-first-serve-Vergabe“, die sie strikt ablehne. Therapiezieländerungen seien „gelebte Praxis in der Intensivmedizin“ und „medizinethisch geboten“. Dies würde künftig „indirekt außer Kraft“ gesetzt, so die DIVI.

Auch die Bundesärztekammer (BÄK) hatte im Vorfeld kritisiert, dass das Gesetz bereits zugeteilte überlebens­wichtige intensiv­medizinische Behandlungskapazitäten von der Zuteilungsent­scheidung ausnimmt.

Mit Unverständnis und Sorge hat heute auch der Präsident der Ärztekammer Hessen, Edgar Pinkowski, auf das gestern vom Bundestag beschlossene Verbot der Ex-Post-Triage reagiert. „Dass Menschen mit Behinderung, schwerkranke und alte Menschen im Fall von Pandemien bei knappen Behandlungskapazitäten auf Inten­siv­­stationen nicht benachteiligt werden sollen, ist für Ärztinnen und Ärzte selbstverständlich“, erklärte Pin­kowski.

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Triage-Gesetz nach namentlicher Abstimmung verabschiedet

Dass es Abgeordnete gibt, die ihrem Gewissen auch konsequent gegen die Fraktionsdisziplin folgen und dies im Sinne der Menschenrechte behinderter Menschen, erlebt man in der Behindertenpolitik nicht oft. Die Abstimmung zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes zu Regelungen im Falle einer Triage am 10. November dürfte dahingehend ein Highlight sein, auch wenn das von vielen als nicht menschenrechtskonform kritisierte Gesetz am Ende im Rahmen einer namentlichen Abstimmung im Bundestag verabschiedet wurde.

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Medizin im Katastrophenfall:
„Triage-Gesetz“ beschlossen

BERLIN taz | 45 Minuten waren auf der Tagesordnung für die abschließende Debatte und Abstimmung zum „Triage-Gesetz“ vorgesehen. Ganz so schnell ging die im Vorfeld vielkritisierte Neuregelung am Donnerstagabend im Bundestag aber dann doch nicht über die Bühne. Diverse Abgeordnete der Regierungsfraktionen hielten sich nicht an die Fraktionsdisziplin und stimmten per Handzeichen gegen den Gesetzentwurf. Das Bundestagspräsidium leitete daraufhin eine namentliche Abstimmung ein.

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IGEL-Podcast ganz nah dran an Triage-Entscheidung

Mit seiner aktuellen, mittlerweile 84. Episode des Podcast Inklusion Ganz Einfach Leben (IGEL), hat sich dessen Macher Sascha Lang selbst übertroffen. Bereits zehn MInuten nach der Entscheidung des Bundestages zum Triage-Gesetz am 10. November führte Sascha Lang mit Dr. Maria Andrino und Ottmar Miles-Paul das Interview für den Podcast. Knapp zweieinhalb Stunden nach der Entscheidung der Bundestagsabgeordneten über das menschenrechtlich sehr umstrittene Gesetz war die Ausgabe des IGEL Podcast online. Herausgekommen ist eine äusserst hörenswerte Zusammenfassung über die Entscheidung und den Prozess zur Triage-Gesetzgebung.

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Traueranzeigen zur Entscheidung über Triage-Gesetz

Im Vorfeld der für heute am 10. November gegen 15:50 Uhr geplanten Debatte und Verabschiedung des Triage-Gesetzes durch den Deutschen Bundestag haben sich Aktive des Aktionsbündnisses AbilityWatch mit Traueranzeigen an Abgeordnete des Deutschen Bundestags gewandt. Darunter sind auch einige der Beschwerdeführer*innen, die vor dem Bundesverfassungsgericht nichtdiskriminierende Regelungen im Falle einer Triage eingefordert hatten. Sie kritisieren unter anderem, dass die geplanten gesetzlichen Regelungen das Überleben der sogenannten Fitten in den Vordergrund stellen. Einige Anzeigen werden im Rahmen der für 14:30 Uhr an der Westseite des Reichstags auf dem Rasen geplanten Schweigeminute zum Triage-Gesetz vorgelesen.

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Triage-Schweigeminute: Sage niemand, sie hätten es nicht gewusst

Vor der Debatte und Beschlussfassung des Deutschen Bundestages für Regelungen im Falle einer Triage haben behinderte und nichtbehinderte Menschen am 10. November eine Schweigeminute vor dem Reichstag unter dem Motto „Jedes Leben ist gleich viel wert“ abgehalten. Einige Behindertenverbände hatten im Gesetzgebungsverfahren immer wieder deutlich gemacht, dass der Gesetzentwurf trotz der Änderungsanträge menschenrechtlich bedenklich und letztendlich ein »Selektionsgesetz« zugunsten vermeintlich Fitter ist.

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Wer kriegt das letzte Intensivbett?

BERLIN taz | Für die Diskussion und finale Abstimmung über eine Triage-Regelung im Pandemiefall sind am Donnerstag im Bundestag 45 Minuten eingeplant. Eingeklemmt zwischen einer aktuellen Stunde zur Chinastrategie und einer Beratung über den Erhalt des Verbrennungsmotors.

Das Gesetz, das da mal eben beschlossen werden soll, bezeichnen Be­hin­der­ten­rechts­ak­ti­vis­t:in­nen als „Selektionsgesetz“, als einen „Zivilisationsbruch“, über dessen Tragweite sich weder Parlamentarier noch Gesellschaft im Klaren seien. Das Deutsche Institut für Menschenrechte hat sich eingeschaltet. Und auch von Mediziner:in­nen hagelt es Kritik, aber wiederum aus einer ganz anderen Richtung.

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Triage-Gesetz: Ein ethisches Dilemma

Heute stimmt der Bundestag über das sogenannte Triage-Gesetz ab. Es soll eine Benachteiligung behinderter und alter Menschen im Krankenhaus verhindern. Die Bedenken dagegen sind jedoch groß.

Es ist ein Albtraum-Szenario: Noch ein einziges freies Intensivbett und drei Patienten werden gleichzeitig eingeliefert. Alle sind in einer Verfassung, dass sie grundsätzlich die Chance haben, zu überleben, sofern sie behandelt werden. Wem soll die Klinik das letzte freie Bett geben? Fachleute sprechen von einer Triage-Entscheidung. Der Begriff kommt aus dem Französischen und bedeutet Auswahl, Sortierung.

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Triage-Gesetzentwurf genügt Menschenrechtsmodell nicht

Nachdem der Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages heute den Gesetzentwurf für Regelungen im Falle einer Triage mit kleineren Änderungen beschlossen hat, hat sich die Menschenrechtlerin Prof. Dr. Theresia Degener mit einer Einschätzung zu den am 10. November im Bundestagsplenum zur endgültigen Abstimmung stehenden Regelungen zu Wort gemeldet. „Der heute vom Gesundheitsausschuss empfohlene Gesetzentwurf zur Triage genügt dem Menschenrechtsmodell der UN Behindertenrechtskonvention nicht, denn weder werden strukturellen Diskriminierungen im Gesundheitswesen noch einer individuellen mittelbaren Diskriminierung behinderter Menschen hinreichend vorgebeugt“, erklärte sie gegenüber den kobinet-nachrichten.

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Behindertenbeauftragte haben Bedenken bei Triage-Gesetz

Der Bundestag plant, am 10. November ein Gesetz zu beschließen, das vor einer Benachteiligung bei der Zuteilung von überlebenswichtigen intensivmedizinischen Behandlungskapazitäten schützen soll, wenn diese nicht ausreichend vorhanden sind (Triage). Das Gesetz soll insbesondere vor einer Benachteiligung aufgrund einer Behinderung schützen und bezieht sich zudem ausschließlich auf den Fall knapp werdender Ressourcen im Fall einer übertragbaren Krankheit – wie es beispielsweise bei COVID-19 befürchtet wurde. Die Landesbehindertenbeauftragten und der Bundesbehindertenbeauftragte haben nun im Vorfeld der Geseztesverabschiedung mit einer gemeinsamen Stellungnahme Bedenken gegen das Triage-Gesetz geäußert.

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Triage vor der Triage verhindern

Zur Entscheidung über die Umsetzung der „Triage-Entscheidung“ des Bundesverfassungsgerichts, die heute, am 10. November, im Bundestag mittels einer Änderung des Infektionsschutzgesetzes ansteht, haben sich die Diakonie Deutschland, der evangelische Fachverband für Teilhabe (BeB) und der deutsche Evangelische Krankenhausverband (DEKV) zu Wort gemeldet. Die Verbände appellieren an die Bundestagsabgeordneten unbedingt jetzt die „Triage vor der Triage“ zu verhindern.

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Gesetzentwurf liegt vor: Wie Lauterbach Menschen mit Behinderung bei Triage schützen will

Menschen mit Behinderung sollen nicht benachteiligt werden, wenn Intensivkapazitäten knapp sind. Der Gesundheitsminister hat nun ein entsprechendes Gesetz vorgelegt.

 


Der SPD-Politiker positionierte sich gegen eine Ex-Post-Triage.

Berlin Gesundheitsminister Karl Lauterbach hat den lange angekündigten Entwurf für ein Triage-Gesetz vorgelegt. Das Gesetz soll verhindern, dass Menschen mit Behinderung bei der Zuteilung nicht ausreichender Intensivplätze in der Coronapandemie benachteiligt werden.
Auch Alter, ethnische Herkunft, die Religion, Geschlecht oder sexuelle Orientierung sollen nicht dazu führen, dass Menschen schlechtere Aussichten auf eine Behandlung haben.

Berlin Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat den lange angekündigten Entwurf für ein Triage-Gesetz vorgelegt. Das Gesetz soll verhindern, dass Menschen mit Behinderung bei der Zuteilung nicht ausreichender Intensivplätze in der Coronapandemie benachteiligt werden.

„Jeden Tag Patienten-Bingo“
Personalmangel auf Kinderstation macht Triage notwendig

23.01.2022 18:33 Uhr – https://www.n-tv.de/23078623

Behinderte setzen ein Ausrufungszeichen in Karlsruhe

https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2021/12/rs20211216_1bvr154120.html

Kommentar zum Triage-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 16.12.2021 (veröffentlicht am 28.12.2021) –1 BvR 1541/20 von Rechtsanwältin Dr. Julia Maurer, Freiburg:

Mit dem am 28.12.2021 veröffentlichten Beschluss hat das Bundesverfassungsgericht den Gesetzgeber verpflichtet, unverzüglich tätig zu werden und Vorkehrungen zu treffen, damit Behinderte bei einer pandemiebedingten Triage nicht aufgrund ihrer Behinderung benachteiligt werden und allein aufgrund ihrer Behinderung einen schlechteren oder gar keinen Zugang zu knappen Intensivpflegekapazitäten haben.

Dieser Beschluss war keineswegs „selbstverständlich“ und „erwartbar“. Es mussten zuvor nicht unerhebliche Hürden genommen werden. So muss der Beschwerdeführer selbst, unmittelbar und gegenwärtig von einer Grundrechtsverletzung betroffen sein, um eine erfolgreiche Verfassungsbeschwerde führen zu können. Einer der Beschwerdeführer – ein mehrfach vorerkrankter 77-Jähriger – war dem Gericht salopp gesprochen „nicht behindert genug“, um eine diesbezügliche Grundrechtsverletzung mit Erfolg geltend machen zu können, sein Antrag wurde als unzulässig zurückgewiesen.

Ein vorausgehender Eilantrag der Beschwerdeführer war mit Beschluss vom 16.07.2020 ebenfalls zurückgewiesen worden, weil das Bundesverfassungsgericht die Gefährdungslage zum damaligen Zeitpunkt noch nicht hinreichend akut gesehen hat. Oft ist die Entscheidung über den Eilantrag auch für das Hauptsacheverfahren wegweisend. Wahrscheinlich hat die aktuell bevorstehende 5. Pandemiewelle durch Omikron den Antragstellern in die Karten gespielt und zu der für die Beschwerdeführer günstigen Entscheidung erheblich mit beigetragen – manchmal müssen zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Fragen zur Entscheidung anstehen.Im Rahmen des Verfahrens hat das Gericht zahlreiche Institutionen und Verbände um eine Stellungnahme gebeten. Hier lohnt sich für den Interessierten die Lektüre des Beschlusses, der auch für juristische Laien verständlich ist.


https://www.divi.de/joomlatools-files/docman-files/publikationen/covid-19-dokumente/211125-divi-covid-19-ethik-empfehlung-version-3-vorabfassung.pdf?fbclid=IwAR1qvSdJYcwq56-_pnuvgNBSY0SONnnXMS74m3JKkaXKhSp0cvDdAAgcQhA

„Die Priorisierung soll immer
• alle Patienten einschließen, die der Intensivbehandlung bedürfen, unabhängig davon, wo sie gerade versorgt werden (Allgemeinstation, Notaufnahme/Intermediate-Care Station oder Intensivstation).

Eine Priorisierung ist aufgrund des Gleichheitsgebots
• nicht vertretbar nur innerhalb der Gruppe der COVID-19-Erkrankten
• und nicht zulässig aufgrund des kalendarischen Alters, aufgrund sozialer Merkmale oder aufgrund bestimmter Grunderkrankungen oder Behinderungen und auch nicht aufgrund des SARS-CoV-2-Impfstatus.“ (Mit den Fachgesellschaften abgestimmte Vorabfassung der aktualisierten AWMF S1-Leitlinie 040-013 vom 23.11.2021)

Die Bundesregierung hat in ihrer Stellungnahme eine Zurückweisung der Verfassungsbeschwerde gefordert. Der Einzelne könne die gesetzliche Regelungsdichte nicht vorschreiben. Man habe gesetzlich alles daran gesetzt, damit es nicht zur Triage kommen müsse. Die von der einschlägigen Fachgesellschaft DIVI (Deutsche interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin) herausgegeben Richtlinien, die sich an der Erfolgsaussicht einer Behandlung orientieren, sei nicht zu beanstanden.

Während sich die Bundesärztekammer gegen eine gesetzliche Regelung der Triage ausgesprochen hat mit der Begründung, eine solche Entscheidung müsse eine ärztliche bleiben, hat die DIVI eine gesetzliche Regelung begrüßt. Zahlreiche Sozialverbände haben sehr differenzierte Stellungnahmen abgegeben, in denen sie die  Befürchtung einer bewusst oder unbewusst behindertendiskriminierenden Entscheidung im Fall einer Triage geäußert haben. Das Bundesverfassungsgericht ist letztlich diesen Stellungnahmen gefolgt und sieht die unverzügliche Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung. Angeregt werden dabei das Mehraugen-Prinzip und eine Dokumentationspflicht bei Triage-Entscheidungen. Das Bundesverfassungsgericht betont in dem  Beschluss aber auch ausdrücklich, dass dem Gesetzgeber ein weiter Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum bei der Umsetzung der gesetzlichen Regelung eingeräumt sei.

Was bedeutet dieser Beschluss daher unmittelbar für die Praxis? Eigentlich recht wenig. Der Gesetzgeber muss kurzfristig tätig werden, der Inhalt des Gesetzes ist im Detail nicht vorgegeben. Wenn Triage-Entscheidungen notwendig werden sollten, müssen diese schwierigen Entscheidungen sehr kurzfristig in einer immensen Stresssituation vor Ort durch Ärzte und Klinikpersonal getroffen und umgesetzt werden. Hier wird man sich – wie zuvor auch – mehr oder weniger an den DIVI-Richtlinien orientieren.

Ganz immens dürfte aber die mittelbare Wirkung dieses Beschlusses sein. Den Beschwerdeführern ist es gelungen, die für die Umsetzung von Behindertenrechten wegweisende Entscheidung herbeizuführen, die es in sämtliche Abendnachrichten und auf die Titelseite der Zeitungen geschafft hat. Danach wird es schwer bis unmôglich sein, bei einer Triage-Entscheidung eine Behinderung pauschal mit einer schlechten Erfolgsaussicht intensivmedizinischer Behandlung gleichzusetzen und sich so die Entscheidung beim „Aussortieren“ so zu vereinfachen. 

Für die Zukunft wurde durch den Beschluss eindrucksvoll demonstriert, dass das Bundesverfassungsgericht die Behinderten und ihre Rechte „auf dem Schirm“ hat. Zu hoffen ist, dass Sozialverbände in Fragen der Behindertenrechte im Vorfeld politischer Entscheidungen mehr Gehör finden und nicht erst im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde. Der Vorwurf gesetzgeberischer Untätigkeit durch das Bundesverfassungsgericht ist eine schallende Ohrfeige, die jede Regierung möglichst vermeiden möchte.